Aktienanleger setzen auf Knappheit

Aktienanleger setzen auf Knappheit

Die 25.000-Euro-Frage

Ein Gastbeitrag von Oliver Zastrow

Warren Buffett ist zuletzt im großen Stil bei Chevron eingestiegen. Dazu könnte man sagen: Old economy trifft auf old economy. Doch wahrscheinlich hat der Starinvestor mit seinem Investment recht – wieder einmal.

Lange Zeit waren es die Tech-Aktien, die die Wall Street nach oben getrieben und um die sich die Anleger regelrecht gerissen haben. Das Zauberwort hieß Skalierbarkeit. Unternehmen wie Netflix oder Microsoft können mit ihren Angeboten gewissermaßen unendlich viele Kunden versorgen, ohne dass die Kosten spürbar steigen. Sie müssen nur unwesentlich mehr Geld einsetzen, wenn mehr Zuschauer eine Serie streamen als zuvor oder wenn mehr User ein Office-Software-Paket nutzen möchten.


Doch der Wind hat an den internationalen Börsen spürbar gedreht. Das neue Investmentmotto lautet Knappheit. Und das Angebot von Netflix, Microsoft und Co. ist alles andere als knapp. Im Gegenteil: Es ist vielmehr fast unendlich vermehrbar oder eben skalierbar, wie es die Fachleute nennen. Was derzeit beispielsweise knapp ist, ist Öl. Erst zog die Nachfrage durch die weltweite wirtschaftliche Erholung spürbar an. Und jetzt trifft der gesteigerte Bedarf auf ein begrenztes Angebot, das durch den furchtbaren Krieg Russlands gegen die Ukraine noch weiter sinken könnte. Kein Wunder, dass die Aktien der Förderer plötzlich gefragt sind und die Kurse fast nur eine Richtung kennen: die nach oben.

Milliardenschweres Investment


Ende des vergangenen Jahres war Warren Buffett an dem Mineralölkonzern Chevron mit rund 4,5 Milliarden Dollar beteiligt. Ende März waren es bereits fast 26 Milliarden Dollar. Seitdem ist der Aktienkurs in Dollar noch einmal um mehr als fünf Prozent gestiegen. Es sieht so aus, als hätte Buffett wieder einmal alles richtig gemacht. An sich ist es eine vergleichsweise simple Logik, die hinter dem Deal steckt: Der Routinier setzt auf ein Unternehmen, dessen Angebot knapp ist und sich nicht innerhalb kurzer Zeit vergrößern lässt. Genau diese Knappheit honorieren die Börsianer derzeit.


Jahrelang haben die Ölförderer aufgrund niedriger Preise ihre Investitionen runtergefahren. Das hat sich natürlich auf das Angebot ausgewirkt. Doch auch jetzt, wo der Ölpreis deutlich über der Marke von 100 Dollar notiert, halten sich die Ölmultis mit Ausgaben für die Suche und die Erschließung neuer Vorkommen zurück. Beispielsweise liegt die Zahl der Bohrtürme in den USA laut dem Service Unternehmen Baker Hughes bei derzeit 705 und damit noch weit unter dem Niveau von vor Corona.


Für die mangelnde Investitionsbereitschaft gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens gibt es immer höhere Umweltauflagen, was entsprechende Investitionen erschwert oder sogar verhindert. Und zweitens erzielen Exxon, Chevron und die anderen Förderer auch so hohe Einnahmen. Die durchschnittliche Gewinnschwelle, ab der die Ölmultis Geld verdienen, liegt in etwa bei 50 Dollar je Barrel. Derzeit notiert der Ölpreis mehr als doppelt so hoch. Und die Gewinnschwelle soll laut Exxon dank neuer Technologien weiter sinken.


Geringe Risikobereitschaft


Angesichts der sprudelnden Gewinne scheint es wenig attraktiv, das Risiko einer Fehlinvestition einzugehen. Vereinfacht ausgedrückt lassen die großen Ölmultis ihre Geschäfte einfach weiterlaufen und verwenden angesichts der steigenden Zinsen ihre Einnahmen lieber dazu, Schulden zu tilgen. Außerdem dauert es jahrelang, um ein neues Vorkommen zu erschließen. Das bedeutet: Selbst, wenn die Ölkonzerne jetzt richtig Geld in die Hand nehmen würden, gäbe es kurz- bis mittelfristig kaum ein höheres Angebot.


So wie beim Öl sieht es bei vielen anderen Rohstoffen aus, zum Beispiel beim Industriemetall Kupfer oder beim Batterierohstoff Lithium. Ein ähnlicher Mechanismus greift – allerdings aus anderen Ursachen – bei Agrarrohstoffen. Hier ist es der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der das Angebot beispielsweise bei Weizen sinken lässt. Aus der „Kornkammer der Welt“ kommen aber nicht nur Getreide, sondern auch große Mengen Sonnenblumenkerne beziehungsweise entsprechendes Öl.

Diese Produktionsausfälle lassen sich nicht schnell andernorts ausgleichen. Das Angebot wird also mindestens nächstes Jahr knapp bleiben. Und wenn der Krieg in der Ukraine noch länger anhält, ist ein Ende der Versorgungsengpässe kaum in Sicht.


Die 25.000 Euro-Frage


In diesem Umfeld können Anleger beispielsweise auf Aktienindizes setzen, die viele große Rohstoffkonzerne umfassen. Zu diesen zählt unter anderem der FTSE, der die größten in Großbritannien gelisteten Unternehmen enthält. Regional noch breiter gestreut ist der Stoxx Europe 50, der aus den größten Unternehmen aus Europa inklusive des Vereinigten Königreichs und der Schweiz besteht. Insgesamt bietet es sich an, aktuell nicht das für Aktienkäufe zur Verfügung stehende Kapital – zum Beispiel 25.000 Euro – komplett zu investieren. Sowohl im Rohstoff- als auch im Technologiebereich werden sich weiterhin günstigere Nachkaufgelegenheiten bieten.

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