Wie sich sinkenden Inflationsraten auf die Aktienmärkte auswirken

Wie sich sinkenden Inflationsraten auf die Aktienmärkte auswirken

Veröffentlicht als Gastkommentar (6. Juli 2022) bei

Oliver Zastrow arbeitet als Direktor beim unabhängigen Vermögensverwalter Albrecht, Kitta & Co. in Hamburg.

Noch sind die Inflationsraten hoch, aber das dürfte nicht so bleiben, sagt Oliver Zastrow. Warum das erst einmal keine gute Nachricht für die Aktienmärkte ist, erklärt der Vermögensverwalter im Gastbeitrag.

Verschiedene Indikatoren weisen darauf hin, dass die Inflation demnächst eher wieder sinkt als weiter steigt oder stabil bleibt. In Deutschland hat sich die Teuerungsrate im Juni bereits auf 7,6 Prozent zurückgebildet, was 0,3 Prozentpunkte weniger als im Mai waren. Der vielleicht wichtigste Indikator für den nachlassenden Inflationsdruck ist der Kupferpreis. Dieser ist seit seinem Top im März dieses Jahres
bis jetzt um mehr als 20 Prozent gefallen. Damit befindet sich Kupfer nach gängiger Definition in einem Bärenmarkt.


In den zurückliegenden 30 Jahren kam es immer zu einer Rezession, wenn der Kupferpreis in die Knie ging. Es gibt eigentlich nichts, was dafürspricht, dass es dieses Mal anders sein sollte. Der Zusammenhang ist klar: Die Industrie fragt weniger Kupfer nach, weshalb dessen Preis fällt. Damit sollte auch der
Inflationsdruck ein wenig nachlassen, auch wenn sich die Geldentwertung weiter auf einem hohen Niveau bewegen dürfte. Daher wird die Fed trotz rezessiver Tendenzen vorerst an ihrer restriktiven Geldpolitik festhalten.

Powell bleibt hart


In diesem Jahr gab es in den USA bereits drei Zinserhöhungen. Gleichzeitig hat die Fed begonnen, weniger Prolongationen bei den von ihr gehaltenen Anleihen durchzuführen. Sie entzieht den Finanzmärkten somit Liquidität. Fed-Chef Jerome Powell hat unmissverständlich klar gemacht, dass die Bekämpfung der Inflation nicht das wichtigste, sondern sogar das einzige Ziel seiner Geldpolitik ist.


Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist ein Goldilocks-Szenario, also moderate und rückläufige Inflation gepaart mit einem vernünftigen Wachstum der Wirtschaft und damit auch der Unternehmensgewinne, eher unwahrscheinlich. Doch nur in diesem Szenario wären die Aussichten für Aktien positiv.

Vielmehr sieht es danach aus, als bliebe die Inflation erst einmal trotz der Bemühungen der Fed hoch. Gleichzeitig dürften aufgrund der rezessiven Tendenzen die Unternehmensgewinne zurückkommen. Die jüngsten Gewinnwarnungen der beiden Supermarktketten Target und Walmart sprechen für sich.

Angesichts der hohen Preissteigerungen und der sinkenden Real-Einkommen schnallen die Verbraucher in den USA den Gürtel enger und greifen vermehrt zu den preiswerteren Handelsmarken, an denen die Supermärkte weniger verdienen. In Deutschland wollen sogar fast 40 Prozent der Verbraucher an Lebensmittel und mehr als 50 Prozent an Kleidung sparen, so die Hans-Böckler-Stiftung. Selbst, wenn die
Unternehmensgewinne wider Erwarten steigen sollten, dürften ihre Zuwachsraten unter der Geldentwertung liegen. Zumindest die realen Unternehmensgewinne würden also sinken.


Das Problem ist, dass die Fed bei einer sich abzeichnenden Rezession kaum gegensteuern kann. Solange die Inflation (zu) hoch ist, muss sie an ihrem restriktiven Kurs festhalten. Ansonsten macht sie sich vollkommen unglaubwürdig. Nur für den Fall, dass sich ein heftiger Konjunktureinbruch abzeichnet, könnte Powell wieder die Geldpolitik lockern, ohne sein Gesicht zu verlieren. Einen solche Wende der
amerikanischen Notenbank würden die Aktienmärkte sicherlich begrüßen, aber danach sieht es derzeit einfach nicht aus.


Analysten zu optimistisch


Im Konsens gehen die Researchhäuser davon aus, dass die Gewinne der 500 S&P Unternehmen auf Sicht der nächsten zwölf Monate weiter steigen. Doch neben dem eingebrochenen Kupferpreis gibt es ein weiteres Argument gegen diese Prognose. Der Abstand der Rendite von US-Staatsanleihen mit zehn- und mit zweijähriger Laufzeit ist zusammengeschmolzen. Ein inverse Zinsstrukturkurve, wo kurzlaufende
Anleihen höher rentieren als entsprechende Langläufer, gilt eigentlich als zuverlässiger Indikator für eine Rezession. Genau darauf steuern die Rentenmärkte derzeit zu.


In einem Szenario mit weiter hoher Inflation und einem rückläufigen Wirtschaftswachstum oder sogar einer Rezession wäre für die Aktienmärkte Gift. Vielleicht kommt es an der Wall Street im dritten Quartal zum Schwur, wenn die Unternehmen ihre Halbjahresergebnisse bekannt geben und die Geldpolitik der
amerikanischen Notenbank ihre volle Wirkung entfaltet.

Es ist aber durchaus möglich, dass die Preissteigerungen angesichts der schwachen Konjunktur und aufgrund von Basiseffekten zum Beispiel bei den Energiepreisen sich zumindest ein Stück weit zurückbildet. In diesem Fall wären langlaufende Staatsanleihen das passende Investment. Denn im Gegensatz zu Unternehmensanleihen entfällt bei ihnen die Risikoprämie. Und die Rendite zehnjähriger US-Treasuries von mehr als drei Prozent ist selbst für ein mildes Rezessionsszenario einfach zu hoch.


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