Blickwinkel 2023 - Währungen

GELDPOLITIK 2024

DIE ZINSEN WERDEN SINKEN

IN KÜRZE:
– Die Geldentwertung sinkt schneller als erwartet.
– Die großen Notenbanken reagieren auf die schwache Konjunktur und die sinkenden Inflationsraten.
– Die Finanzmärkte reagieren positiv auf Leitzinssenkungen, freuen sich aber zu früh.

Die Inflation und damit die Zinsen sowie die Geldpolitik der großen westlichen Notenbanken haben im Jahr 2023 die Finanzmärkte über weite Strecken dominiert. Zuletzt war vor allem in den USA die Inflationsrate stärker zurückgekommen als von den Volkswirten und Marktteilnehmern erwartet. So könnte sich die Inflation 2024 weiter fortsetzen.

Ein wesentliches Argument dafür ist die bereits geschilderte nachlassende konjunkturelle Dynamik in den Vereinigten Staaten. Gleichzeitig ziehen dort die Wohnungsmieten mittlerweile nicht mehr so stark an. Auch bei den Lohnsteigerungen hat der Druck nachgelassen, was für eine gewisse Entspannung im amerikanischen Dienstleistungssektor sorgt. Ein weiterer wichtiger Grund für die nachlassende Inflation ist die Stabilisierung der Lieferketten. Diese funktionieren zwar immer noch nicht so gut wie vor Corona, aber schon wieder deutlich besser als vor ein, zwei Jahren.

Die meisten Argumente sprechen für ein Sinken der Inflationsrate.

Derzeit liegt der Konsens für die Inflation in den USA für 2024 bei 2,3 Prozent. Die amerikanische Notenbank Fed ist etwas skeptischer und rechnet mit einer Geldentwertung von 2,5 Prozent. Aber auch damit wäre sie nicht weit von ihrem Zwei-Prozent-Ziel entfernt.

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Inflationsziel der USA

Öl könnte Inflation 2024 anheizen

Natürlich sind auch Entwicklungen denkbar, die die Inflation wieder steigen oder zumindest weniger stark zurückgehen lassen könnten als erwartet. Vor allem der Ölpreis könnte einen Strich durch die Rechnung machen. Seit dem Hoch Ende September bis Mitte Dezember hat sich der Preis für die Sorte WTI um rund ein Viertel verbilligt. Mittlerweile hat er ein Preisniveau erreicht, ab dem die USA ihre Reserven wieder auffüllen wollten, was für eine steigende Nachfrage sorgen würde.

Gleichzeitig kürzt die Opec+ immer wieder ihre Fördermenge, um den Ölpreis zumindest zu stabilisieren. Vor allem aber könnte eine Eskalation des Gaza-Kriegs den Ölpreis wieder nach oben treiben. Zwar sieht es derzeit nicht danach aus, aber Ziel der Terrororganisation Hamas war und ist es sicherlich, den Iran in den Krieg gegen Israel mit hineinzuziehen. Politische Analysten halten dieses Szenario allerdings für eher unwahrscheinlich.

Der Ölpreis unterliegt vor allem politischen Risiken.

Europa hinkt hinterher

Auch in der Eurozone hat sich die Inflationsrate spürbar zurückgebildet. Sie bewegt sich aber noch auf einem deutlich höheren Niveau als in den USA. Das verwundert kaum, denn die konjunkturelle Entwicklung folgt hier circa ein halbes Jahr später der in den USA. Gleichzeitig hat die EZB auch später begonnen, mit Leitzinserhöhungen gegen die Inflation vorzugehen. Aber auch in Europa dürften sich die schwache Konjunktur und die Stabilisierung der Lieferketten beruhigend auf die Preissteigerung auswirken.

Deutschland wird wahrscheinlich bei der Inflation schlechter abschneiden als der Rest Europas.

Allerdings besteht zumindest in Deutschland das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale. Die zum Teil extrem hohen Lohnabschlüsse werden erst ab 2024 bei den Kunden ankommen. Wie stark der Effekt sein wird, hängt von der Preissetzungsmacht der Unternehmen ab, also davon, wie umfangreich sie höhere (Lohn-)Kosten an ihre Kunden weiterreichen können.

Notenbanken werden Zinsen senken

Wenn die Inflationsraten schneller sinken als ursprünglich erwartet, vergrößert das den Spielraum der Notenbanken, ihre Geldpolitik wieder zu lockern. Vor allem wenn 2024 in den USA oder Europa eine Rezession drohen sollte, stünden die Fed und EZB unter Druck. Aktuell rechnen die Marktteilnehmer im nächsten Jahr mit Leitzinssenkungen. Auch seitens Fed erwarten 17 von 19 Entscheidungsträger niedrigere und niemand höhere Zinsen bis Ende 2024 (Quelle: Reuters).

The Fed's Dot Plot - Zinserwartungen des Federal Open Market Komitees
Grafik-Quelle: Reuters, 2023. - Zinserwartungen des Federal Open Market Komitees.

Hier besteht negatives Überraschungspotenzial. Fed-Chef Jerome Powell hat immer wieder betont, dass er sich bei seinen geldpolitischen Entscheidungen vor allem von den volkswirtschaftlichen Daten leiten lassen will. Wenn sich die amerikanische Konjunktur aber weiter robust entwickelt und bei der Inflation noch nicht das angestrebte Zwei-Prozent-Ziel erreicht ist, könnte die Fed die Leitzinsen später und weniger stark senken als von den Marktteilnehmern bereits eingepreist.

Möglicherweise sind die Börsianer bei der Geldpolitik zu optimistisch.

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hat die Fed 2023 die Zinsen um 0,25% erhöht (von 4.50% auf 5.50%)

Selbst wenn es in den USA schon ab März zu vier Zinsschritten von jeweils 0,25 Prozent kommen sollte, birgt dies Enttäuschungspotenzial. Zusammen würden sich die Zinssenkungen auf ein Prozent summieren. Wenn die Inflationsrate sich ebenfalls um ein Prozent zurückbilden würde, wäre unterm Strich nichts gewonnen: Der Realzins, also der Zins nach Abzug der Inflationsrate, bliebe gleich.

Derzeit achten die Börsianer vor allem auf die Nominalzinsen und würden jeden Zinsschritt der Fed nach unten begrüßen. Wenn sich aber die Erkenntnis durchsetzen sollte, dass nicht der Nominal-, sondern der Realzins entscheidend ist, könnte das Jammern losgehen. Es bleibt also spannend.

Die EZB könnte ihre Geldpolitik schon früher lockern als die Fed.

Blaupause für die EZB

Bisher hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde das gemacht, was Fed-Chef Powell ein halbes Jahr vor ihr getan hat. Dementsprechend rechnen die Finanzmärkte 2024 auch in der Eurozone mit drei bis vier Zinssenkungen. Wenn hier allerdings die Konjunktur früher und stärker als in den USA Schwäche zeigt, könnte Lagarde sich schon früher als Powell zu einer Lockerung ihrer Geldpolitik veranlasst sehen.

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werden 2024 in der EU-Zone Zinssenkungen erwartet

KLAR IST

Angesichts der deutlich sinkenden Inflation und der nachlassenden konjunkturellen Dynamik rechnen die Finanzmärkte 2024 sowohl in den USA als auch in Europa mit mehreren Zinsschritten nach unten. Zumindest im ersten Moment würden das die Anleger positiv bewerten, was für steigende Aktienkurse sorgen sollte. 

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