Weltwirtschaft_2024_Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung

WELTWIRTSCHAFT & KONJUNKTUR 2024

WENIGER KONSUM, MEHR UNSICHERHEIT

IN KÜRZE:
– In den USA lässt die konjunkturelle Dynamik nach. Ob es dort zu einer Rezession kommt, ist aber noch offen.
– Die Lage in China ist nicht ganz klar.
– Europa könnte sich bereits in einer Rezession befinden.
– Die Weltwirtschaft dürfte nur schwach wachsen.

Das Wachstum der Weltwirtschaft 2024 hängt maßgeblich von den Entwicklungen in den USA und China ab, den beiden größten Volkswirtschaften der Welt. In den Vereinigten Staaten hat im dritten Quartal 2023 das Bruttoinlandsprodukt (BIP) annualisiert um mehr als fünf Prozent zugelegt. Dieser Schwung dürfte im vierten Quartal deutlich nachgelassen haben. Darauf weisen bereits verschiedene Frühindikatoren hin. 

Vor allem der Konsum dürfte sich in den USA nicht mehr so stark entwickeln. Die durch üppige staatliche Hilfen während der Corona-Zeit aufgebauten Ersparnisse der Verbraucher sollten langsam aufgezehrt sein. Gleichzeitig müssen die Studenten ihre Kredite wieder zurückzahlen. Die Tilgung war zeitweise ausgesetzt worden. Und Präsident Joe Biden ist mit einem geplanten Schuldenerlass vor Gericht gescheitert. Zudem sind die Verbraucherkredite teurer geworden. Traditionell konsumieren die Amerikaner auch gerne auf Pump. Schließlich nagt die zwar gesunkene, aber immer noch höhere Inflation an der Kaufkraft der Menschen.

Der Konsum verliert als Wachstumsmotor an Kraft.

Ein zweiter Faktor, der für ein Nachlassen des Wirtschaftswachstums in den USA sorgt, ist die Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt. In den zurückliegenden Monaten fiel die Zahl der neu geschaffenen Stellen außerhalb der Landwirtschaft mehrfach niedriger aus als die, die von Reuters befragte Volkswirte prognostiziert hatten. Außerdem musste das Arbeitsministerium für mehrere Monate die Zahlen nach unten korrigieren.

Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist zwiespältig

Noch begrüßen die Börsianer schwächere Arbeitsmarktdaten, weil dies die amerikanische Notenbank entlastet, weiterhin restriktive geldpolitische Maßnahmen zu treffen. Der Schuss könnte aber auch nach hinten losgehen. Wenn der Arbeitsmarkt zu sehr „abschmiert“, ist eine Rezession wahrscheinlich nicht mehr weit entfernt.

Unterm Strich hat Joe Sixpack, das Pendant zum deutschen „Otto Normalverbraucher“, weniger Geld zum Shoppen in der Tasche. Was das für eine Volkswirtschaft wie die USA bedeutet, die zu circa 70 Prozent auf dem Konsum basiert, liegt auf der Hand. 

Der amerikanische Konsument wird klamm.

Ein weiterer Treiber des amerikanischen Wirtschaftswachstums verliert an Kraft: der Inflation Reduction Act. Das milliardenschwere Subventionsprogramm für den grünen Umbau der amerikanischen Industrie und die Ansiedlung grüner Produktionsstätten in Nordamerika dürfte künftig nicht mehr so stark wirken wie in der Vergangenheit.

Staatsausgaben geraten unter Druck

Gleichzeitig schwelt der Streit zwischen den regierenden Demokraten und der Opposition der Republikaner um eine Anhebung der staatlichen Schuldenobergrenze immer weiter. Vor allem rechte Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump dürften im beginnenden Wahlkampf immer wieder versuchen, Präsident Biden auszubremsen. Die Schuldenobergrenze könnten sie dabei als geeignetes Mittel ansehen.

Staatsausgaben sind aber ein entscheidender Faktor für die Entwicklung einer Volkswirtschaft. Das gilt nicht nur, aber eben auch für die USA. Eine Blockierung Washingtons dürfte die Rezessionsgefahr zumindest spürbar erhöhen.

Insgesamt scheint allerdings eine sanfte Landung der amerikanischen Volkswirtschaft das wahrscheinlichste Szenario darzustellen, also ein Rückgang der Inflation (mehr dazu im nächsten Kapitel) bei einer weiter wachsenden Wirtschaft. Noch ist der amerikanische Konsument in Shoppinglaune und bei der Abkühlung auf dem Arbeitsmarkt handelt es sich bislang eher um eine Normalisierung und nicht um einen Absturz.

Ein soft landing scheint immer noch am wahrscheinlichsten.

Etwas unklare Lage in China

Die Entwicklung in der Volksrepublik ist deutlich schwieriger einzuschätzen. Denn den offiziellen Statistiken ist kaum zu trauen. Dafür spricht, dass die offiziellen Daten meistens bis auf die erste Stelle hinter dem Komma so ausfallen, wie vom kommunistisch regierten Staat vorhergesagt.

Die größten Probleme bereitet weiterhin der Immobiliensektor. Die hoch verschuldeten Projektentwickler sind faktisch pleite. In China ist es üblich, dass Käufer einer Wohnung bereits hohe Anzahlungen leisten, bevor der Bau überhaupt begonnen hat. Wenn aber unklar ist, ob die Projektentwickler ihre Vorhaben überhaupt umgesetzt bekommen, sorgt das natürlich massiv für Verunsicherung und Kaufzurückhaltung. Außerdem gilt der Immobilienmarkt in China als weitgehend gesättigt: Mittlerweile gibt es einfach genug Wohnungen.

Der Immobiliensektor bleibt in China mehr als fragil.

Zumindest scheint sich die Beziehung zwischen Washington und Peking etwas zu entspannen. Das könnte auch die chinesische Wirtschaft etwas unterstützen. Außerdem hat die Regierung nach längerem Zögern angefangen, die Konjunktur durch fiskal- und geldpolitische Maßnahmen zu stimulieren. 

Das scheint auch dringend notwendig zu sein. Selbst Staatspräsident Xi Jinping sagt, die Wirtschaft befinde sich in einer „kritischen Phase“. Zuletzt sanken die Verbraucherpreise so stark wie seit Jahren nicht mehr. Eine Stabilisierung des Wirtschaftswachstums in China käme der Weltwirtschaft insgesamt und exportorientierten Ländern wie Deutschland im Besonderen zugute.

Europas Konjunktur lahmt

Noch ist unklar, ob die europäische Wirtschaft in eine Rezession abrutscht oder an ihr vorbeischrammt. Eigentlich ist es auch gar nicht so entscheidend, ob das europäische BIP um ein paar Zehntel Prozent wächst oder schrumpft. Der Rückgang der Inflationsrate entlastet zwar etwas die Verbraucher, aber das scheint derzeit nur eine der wenigen guten Nachrichten für die Wirtschaft in Europa zu sein.

Einen größeren Belastungsfaktor stellt dagegen die Misere in Deutschland dar. Hier scheint sich nur wenig in die richtige Richtung zu entwickeln. Nicht nur der Mangel an Fachkräften, sondern auch an weniger gut qualifizierten Arbeitskräften bremst die deutsche Wirtschaft aus. Gleichzeitig ist hier aber die Arbeitslosigkeit zuletzt wieder gestiegen. Das sagt eigentlich alles. Immer mehr Menschen gelangen offensichtlich für sich zu der Erkenntnis, dass sich Arbeit finanziell kaum oder gar nicht rechnet.

Arbeit ist in Deutschland einfach nicht attraktiv genug.

Dazu kommt die insgesamt (zu) schwache wirtschaftspolitische Performance der Ampel-Regierung. Diesen Schluss lassen zumindest die Umfrageergebnisse der Meinungsforschungsinstitute zu. Während der Finanzkrise und in der Corona-Pandemie hat der deutsche Staat seine Ausgaben spürbar gesteigert und damit die Wirtschaft stabilisiert. Selbst wenn sich die Regierung in Berlin zu solchen Maßnahmen entschließen sollte, braucht es erfahrungsgemäß mindestens ein halbes Jahr, bis sie sich in der Realwirtschaft positiv auswirken. Mit einer Besserung wäre also frühestens Mitte 2024 zu rechnen. Dazu müsste die Regierung aber handeln. Das scheint jedoch mehr als unwahrscheinlich.

KLAR IST

Die OECD hat ihre Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft für 2024 zuletzt um 0,2 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent gesenkt. Was für deutsche Verhältnisse nach viel aussieht, ist tatsächlich wenig. In früheren Jahren hat beim weltweiten Wirtschaftswachstum regelmäßig eine Vier oder sogar eine Fünf, aber zumindest eine Drei vor dem Komma gestanden.

ERWARTE DAS UNERWARTETE

Deutschland hat den Tiefpunkt erreicht und bekommt die Kurve. Die Regierung sorgt wieder für richtige Anreize auf dem Arbeitsmarkt und der Export kommt wieder in Schwung. Außerdem entschärft ein weiter sinkender Ölpreis das Problem nicht wettbewerbsfähiger Energiepreise. Alles wird gut.

< Zum Blickwinkel 2024