Lieber Tech oder Value – Die Aussichten für 2022

Lieber Tech oder Value – Die Aussichten für 2022

Veröffentlicht als Gastkommentar (22. Februar 2022) bei

Oliver Zastrow arbeitet als Direktor beim unabhängigen Vermögensverwalter Albrecht, Kitta & Co. in Hamburg.

Standardwerte haben in den vergangenen Monaten ein Comeback erlebt, an das lange Zeit kaum mehr ein Anleger geglaubt hat. Oliver Zastrow von Albrecht, Kitta & Co. meint, dass auch die weiteren Aussichten für Value gut sind.


Den Glaubenskrieg gibt es fast schon so lange wie den Aktienhandel: Welcher Anlegestil verspricht höhere Erträge – Tech oder Value? Diese Frage wurde zuletzt in den Medien immer wieder ausgesprochen unterhaltsam an der Gegenüberstellung der Techikone Cathy Wood und dem Börsenaltmeister Warren Buffett personalisiert dargestellt.


Die 66-Jährige Wood feierte mit ihrem Ark Innovation ETF bislang kaum gekannte Erfolge. Sicherleich auch bedingt durch die Corona-Pandemie stieg ihr Technologiefonds zwischenzeitlich in weniger als zwölf Monaten um mehr als 300 Prozent. Das ist selbst für ein fokussiertes Nischenprodukt außergewöhnlich. Dieser unglaubliche Erfolg brachte Wood allerdings auch in der nach wie vor männerdominierten Finanzwelt jede Menge Neider ein.


Ganz anders sah es bei der 91 Jahre alten Börsenlegende Buffet aus. Zum x-ten Mal hieß es, die Zeit des Altmeisters sei endgültig vorbei. Tatsächlich sagt Buffett bereits seit Jahrzehnten, dass er nur in Aktien investiert, deren Geschäftsmodell er versteht. Technologietitel, lange Zeit die Highflyer der Wall Street, gehören nicht unbedingt dazu.

Die Gegensätze


Wood setzt ausschließlich auf Unternehmen, denen sie eine technologische Disruption zutraut. Dazu zählen Werte wie der Spezialist für Telemedizin Teladoc, oder der Anbieter von Videokonferenzen Zoom, also typische Corona-Gewinner, die von Kontaktbeschränkungen profitieren. Jetzt, wo die Virus-Pandemie ihren Schrecken verliert, werden diese Aktien massiv abverkauft. Buffets Value-Strategie zielt dagegen bekanntermaßen auf niedrige Bewertungen, Burggräben und Dividenden, also auf wertorientierte Aktien.


Neben der geringer werdenden Angst vor Corona macht den Techtiteln noch etwas anderes zu schaffen: die Zinswende. Der Mechanismus ist bekannt. Durch steigende Zinsen sinkt der Gegenwartswert künftiger Gewinne. Außerdem sind viele Unternehmen aus dem Techsektor hoch verschuldet, steigende Zinsen sind Gift für die Finanzierung.


Den Buffet-Aktien können steigende Zinsen sehr viel weniger anhaben. Sie haben vergleichsweise wenig Fremdkapital in der Bilanz stehen und verdienen bereits heute schon gutes Geld. Vielmehr profitieren sogar typische Favoriten des sogenannten Börsengurus von der Zinswende – zum Beispiel Banken. Auch Ölkonzerne zählen zu den Zinsgewinnern. Denn steigende Zinsen sind in der Regel ein Zeichen für ein starkes Wirtschaftswachstum. Und wenn die Konjunktur brummt, steigt die Nachfrage nach Energie.


Favoritenwechsel voll im Gang


Seit dem Hoch vor ziemlich genau einem Jahr hat der Techfonds von Wood mehr als 45 Prozent verloren. Buffets Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway hat in diesem Zeitraum circa 35 Prozent zugelegt (beide Angaben in Dollar). Jetzt stellt sich die Frage, wie lange dieser Favoritenwechsel noch anhält? Es spricht einiges dafür, dass Valuetitel Techaktien auch in den kommenden Monaten outperformen.

Schließlich hat die Fed die Wende ihrer Geldpolitik erst angekündigt, passiert ist noch nicht wirklich viel. Marktteilnehmer erwarten aber von der amerikanischen Notenbank mittlerweile bis zu sechs Zinsschritte. Dazu kommt, dass auch der Druck auf die EZB steigt, aus ihrer ultralockeren Geldpolitik auszusteigen. Außerdem sind viele Techtitel immer noch ambitioniert bewertet, vor allem wenn sie noch keine Gewinne abwerfen. Das macht sie für die geringsten Enttäuschungen extrem anfällig, wie zuletzt beim Dax-Wert Delivery Hero zu beobachten war. In vielen dieser ehemaligen Highflyern steckt noch immer viel heiße Luft. Schließlich dürften vor allem private Anleger auf den Exitknopf drücken, wenn ihre Techtitel erste Erholungstendenzen zeigen und sich den Einstiegskursen ihrer Investoren nähern.

Unklarer Grenzverlauf


Vielleicht passt der Glaubenskrieg zwischen Techfans und Valueanhängern sowieso nicht in das aktuelle Umfeld. Denn beim Blick in das Portfolio von Wood und Buffett fällt auf, dass hier die Grenzen zum Teil verschwimmen. Die größte Position im Ark Innovation ETF stellt mit fast neun Prozent Tesla dar. Noch extremer sieht es bei Buffet aus. Er setzt mit mehr als 40 Prozent seiner Mittel auf Apple.

Wood hat schon lange vor Corona in Tesla investiert und hier einen ausgesprochen guten Riecher bewiesen. Längst ist Tesla kein Start-up mehr. Vielmehr heizt der EAuto-Pionier die etablierten Autohersteller ordentlich ein. Vor allem aber verdient Tesla mittlerweile richtig Geld – und zwar nicht nur mit dem Verkauf von CO2- Verschmutzungsrechten, sondern auch operativ mit seinen Autos. Buffetts Favorit Apple erweist sich schon viel länger als Gelddruckmaschine, auch wenn es sich eindeutig um einen Techwert handelt. Wahrscheinlich kommt es in den kommenden Monaten weniger darauf an, ob ein Unternehmen aus dem Tech- oder Value-Bereich stammt, sondern, ob es profitabel ist.


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