Bei E-Autos sind die Lieferketten fragil

Bei E-Autos sind die Lieferketten fragil

Veröffentlicht als Gastkommentar (14. Mai 2021) bei

Oliver Zastrow arbeitet als Direktor beim unabhängigen Vermögensverwalter Albrecht, Kitta & Co. in Hamburg.

Die Elektrifizierung von Autos gewinnt derzeit in Europa enorm an Momentum. Produzenten und Anleger sollten dabei aber unbedingt auf sichere Lieferketten achten.

Diese Zahlen sprechen eigentlich für sich: In Deutschland wurden im März 30.101 reine Elektroautos neu zugelassen. Das bedeutet auf Sicht eines Jahres ein Plus von 191 Prozent, so das Kraftfahrt-Bundesamt. Rein batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge erreichten zuletzt einen Marktanteil von 10,3 Prozent. Dazu kamen noch weitere 35.580 Plug-in-Hybride, also Autos, die sowohl über einen Verbrennungs- als auch über einen Elektromotor verfügen. Im Vergleich zum März 2020 bedeutet dies einen Zuwachs von fast 278 Prozent. Ihr Marktanteil lag bei 12,2 Prozent. Damit ist in Deutschland mittlerweile mehr als jedes fünfte Fahrzeug, das neu zugelassen wird, mit einem Elektromotor ausgestattet.

Deutschland, dass bei der Elektromobilität lange Zeit hinterherfuhr, gibt mittlerweile bei dem Thema richtig Gas.

Vor allem zwei Entwicklungen treiben die Elektrifizierung an. Erstens sind das die umfangreichen Kaufprämien, die es für Fahrzeuge mit Elektromotor gibt. Bei reinen E-Autos sind das, wenn der Kaufpreis unter 40.000 Euro liegt, satte 9.000 Euro. Bei Plug-in-Hybriden sind es immerhin noch 6.750 Euro. Damit erreichen die Stromer auch bei den Anschaffungskosten mittlerweile im Vergleich zu reinen Verbrennern Kostenparität. Im laufenden Unterhalt sind sie sowieso bereits günstiger.

Electric first

Und zweitens halten die Autohersteller nur mit dem umfangreichen Verkauf von Elektro-Autos und Plug-in-Hybriden die CO2-Obergrenzen ein. Überschreiten sie diese mit ihren Neuwagenflotten, werden empfindliche Strafzahlungen fällig. VW, Daimler und Co. stehen damit vor der Frage, ob sie lieber ihre neuen E-Autos pushen oder Strafzahlungen leisten. Die Antwort fällt eindeutig aus. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht ein Hersteller neue Modelle und/oder höhere Absatzzahlen für seine E-Autos ankündigt. Mittlerweile gilt nicht nur bei VW, sondern auch bei BMW und Daimler „electric first“. Die Börsianer honorieren entsprechende Schritte mit steigenden Aktienkursen.

Mit dem Hochfahren der Elektromobilität steigt natürlich auch die Nachfrage nach den entsprechenden Akkus beziehungsweise den Batteriezellen. Bislang kommen diese fast ausschließlich aus Fabriken in China und Südkorea. Denn von den westlichen Herstellern versorgt sich bislang nur Tesla selbst mit Batteriezellen. Das ist insofern problematisch, weil die entsprechenden Lieferketten nicht wirklich stabil sind. Das haben in der Vergangenheit mehrfach Lieferengpässe gezeigt.

China bevorzugt nicht nur die heimischen Abnehmer. Die Volksrepublik setzt Rohstoffe und Waren auch immer wieder als politisches Druckmittel ein. So behinderte Peking beispielsweise die Importe australischer Kohle oder die Exporte Seltener Erden.

Die Länder in Europa unterstützen daher mit Milliardenbeträgen den Aufbau einer heimischen Zellenfertigung. Das zeigt Wirkung. Allein Volkswagen hat angekündigt, in den nächsten Jahren insgesamt sechs Werke für die Herstellung von Batteriezellen hochziehen zu wollen. Insgesamt befinden sich in Europa 40 Megafactories laut einer Übersicht des Fraunhofer Instituts entweder in der Planung oder bereits im Bau. Sollten diese alle bis zum Jahr 2030 fertiggestellt werden, dürfte sich die Produktionskapazität auf 1100 Gigawattstunden summieren. Damit ließen sich pro Jahr rund 18 Millionen Elektroautos mit den benötigten Akkus ausstatten.

Versorgung bleibt unsicher

Aber auch dieser Schritt sorgt nicht für unbedingt stabile Lieferketten. Denn bislang wird ein großer Teil des weltweit geförderten Lithiums in China zu Lithiumcarbonat oder Lithiumhydroxid in Batteriequalität weiterverarbeitet beziehungsweise veredelt. Dies passiert in sogenannten Convertern, bei denen es sich im Prinzip um Chemiefabriken handelt. Bislang planen nur die niederländische AMG und das deutsch-kanadische Unternehmen Rock Tech Lithium den Bau von Convertern in Europa. Nach Expertenschätzungen würden hier jedoch rund ein Dutzend dieser Chemiewerke benötigt, um die Liefersicherheit zu gewährleisten.

Aber selbst mit der ausreichenden Zahl von Convertern wäre es noch nicht getan. Denn auch bei den Batterierohstoffen sind Engpässe zu befürchten. So kommt ein großer Teil des weltweit geförderten Lithiums aus dem Dreiländereck Bolivien, Argentinien und Chile, wo große Vorkommen in Salzseen lagern. Ob diese Länder als politisch sehr stabil gelten können, darf sicherlich hinterfragt werden. Besser wäre es, wenn die europäischen Autohersteller ihre Lieferketten mit Produzenten aus Ländern wie Australien oder Kanada absichern würden. Leider geben die großen Volumen-Hersteller nur spärlich Details bekannt, wie ihre Lieferketten konkret aussehen.

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