Jahresendrally trotz aller Risiken

Jahresendrally trotz aller Risiken

Veröffentlicht als Gastkommentar (9. November 2021) bei

Die Elektrifizierung von Autos gewinnt derzeit in Europa enorm an Momentum. Produzenten Die rosaroten Zeiten sind erst einmal vorbei, die Anleger haben wieder verstärkt Risiken auf dem Radar. Oliver Zastrow von Albrecht, Kitta & Co. rechnet trotzdem mit weiter steigenden Aktienkursen..

Der Dax knackt die 16.000-Punkte-Marke, doch das Ende der Fahnenstange ist nicht in Sicht. Zwar ist das Goldilocks-Szenario erst einmal vom Tisch, doch die bestehenden Risiken entpuppen sich bei näherer Betrachtung als weniger gefährlich als es auf den ersten Blick scheint. Das lässt sich durchdeklinieren.


Die wahrscheinlich größte Belastung für die Unternehmen und damit auch für die Aktienmärkte stellen sicherlich die gestörten Lieferketten dar. Diese hinterlassen vor allem in der Automobilindustrie Bremsspuren. Im Oktober wurden in Deutschland satte 35 Prozent weniger Pkw neu zugelassen als ein Jahr zuvor. Dennoch notiert ein Teil der Hersteller wie Daimler oder Ford immer höher. Volkswagen steht dagegen unter Druck, was offenbar auch am Machtkampf zwischen CEO Herbert Diess mit der mächtigen Betriebsratschefin Daniela Cavallo liegt.


Dass die Börsianer die fragilen Lieferketten weitgehend ignorieren, hat im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens verbauen die Autokonzerne die knappen Halbleiter vor allem in den margenstarken Premiumfahrzeugen. Dadurch fallen die Umsatz- und vor allem die Gewinnbelastungen deutlich geringer aus als das zahlenmäßige Minus bei den Absatzzahlen.

Toilettenpapier-Effekt wiederholt sich

Zweitens sorgt nicht nur das zu geringe Angebot für die gestörten Lieferketten, sondern auch die unnötig hohe Nachfrage. Die Unternehmen stocken aus Gründen der Vorsicht ihre Vorräte auf – und zwar auf Mengen, die sie eigentlich gar nicht brauchen. Wir kennen das aus dem vergangenen Jahr als die Menschen schon fast panikartig Toilettenpapier gekauft und gehortet haben. Als sich dann alle ausreichend eingedeckt hatten und die übertrieben hohen Vorräte wieder abbauten, brach die Nachfrage schlagartig ein. Genau das könnte sich bei derzeit knappen Vorprodukten wie Chips wiederholen.


Risiko Nummer zwei sind sicherlich die stark gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise. Diese stellen allerdings nur für einen Teil der Wirtschaft ein Problem dar. Gekniffen sind die Unternehmen, die die höheren Preise nicht an die Kunden weitergeben können. Branchen wie die chemische Industrie können jedoch aufgrund der hohen Nachfrage mehr Geld von ihren Kunden verlangen.

Ein Teil der Wirtschaft profitiert sogar von den höheren Preisen – und zwar die Unternehmen, die die verteuerten Rohstoffe und Vorprodukte anbieten. Unter dem Strich dürfte es sich um ein Null-Summen-Spiel handeln.
Allerdings sorgen die gestiegenen Preise natürlich für Inflation. In den vergangenen Monaten hat die Befürchtung zugenommen, dass es sich dabei nicht um ein temporär begrenztes Problem handelt. Doch beispielsweise der Ölpreis zeigt, dass sich die Geldentwertung wahrscheinlich im Laufe des nächsten Jahres ausschleift. Öl hat sich in diesem Jahr permanent verteuert und die Sorte Brent Cruse hat im Sommer die Marke von 75 Dollar je Fass nach oben durchbrochen. Die Vergleichsbasis bewegt sich also von Monat zu Monat auf einem höheren Niveau.

Keine höheren Zinsen

Per se bedeutet eine höhere Inflation für die Aktienmärkte auch nur dann ein Problem, wenn sie mit steigenden Zinsen verbunden ist. Genau das ist aber nicht absehbar. Zwar hat die amerikanische Notenbank Fed mit dem Tapering begonnen. Doch das hatte sie im Vorfeld klar und geschickt kommuniziert. Eine Drosselung der Anleihenkäufe lässt sich zudem auch so interpretieren, dass die US-Wirtschaft sich derart robust entwickelt, dass sie nicht mehr auf die Liquiditätsspritzen der Fed angewiesen ist. Spürbar höhere Zinsen sind schon deshalb kaum denkbar, weil sie die hoch verschuldeten Staaten an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringen würden.


Bleiben noch Corona und China. Die Covid-19-Ansteckungen steigen wieder in einem besorgniserregenden Tempo. Doch die Politik hat bis auf China klar angekündigt, dass erneute Lockdowns nicht in Frage kommen, zumindest nicht in der Wirtschaft. Hier ist also der Impact der wieder zunehmenden Infizierten-Zahlen vergleichsweise gering.

Und China dürfte dafür sorgen, dass Evergrande und Co., wenn nötig, kontrolliert abgewickelt werden. Diese Projektentwickler finanzieren sich zu einem guten Teil durch Vorauszahlungen von Wohnungskäufern. Peking dürfte in einem hohen Maß daran interessiert sein, dass diese keinen Schaden nehmen. Das wäre mit dem Ziel „Wohlstand für alle“ kaum kompatibel. Außerdem fürchten die kommunistischen Machthaber nichts so sehr, wie politische und soziale Unruhen.

Klar, es ist durchaus möglich, dass sich das eine oder andere Risiko noch weiter zuspitzt, eine wirklich schlimme Eskalation scheint jedoch unwahrscheinlich. Die Risiken haben sogar ihre gute Seite. Eine Jahresendrally gibt es erfahrungsgemäß vor allem dann, wenn kaum ein Anleger an sie glaubt.
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