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ZINSEN SIND GEKOMMEN, UM ZU BLEIBEN

In Kürze

Normalerweise korrelieren Anleihen und Aktien negativ miteinander. Steigt die eine Assetklasse, fällt die andere und umgekehrt. 2022 war das nicht der Fall. Sowohl die Kurse von Aktien als auch Anleihen rauschten in den Keller. Am besten wäre es gewesen, überhaupt keine Anleihen im Depot gehabt zu haben. Langlaufende Staatsanleihen verloren 2022 in der Spitze zum Teil über 30 Prozent an Wert – wann hat es das schon einmal gegeben?

Für diesen historischen Rentencrash sind vor allem die Notenbanken verantwortlich. Erst haben die Fed und die EZB die Inflation regelrecht verschlafen. Dann haben sie mit umso schärferen Maßnahmen wie den massiven Leitzinserhöhungen auf einen Schlag gegengesteuert.

Entscheidend ist aber weniger der Blick in den Rückspiegel, sondern der voraus. Es ist davon auszugehen, dass sich in den nächsten Jahren die Inflation auf einem höheren Niveau bewegt und stärker schwankt als früher. Die Zeiten deflatorischer Tendenzen dürften erst einmal vorbei sein. Vor diesem Hintergrund werden die Notenbanken darauf achten, dass das Zinsniveau in etwa auf der Höhe der Inflation liegt.

an Wert verloren langlaufende Staatsanleihen in der Spitze
Rendite für kürzer laufende Unternehmensanleihen

In diesem Szenario gewinnen Anleihen wieder an Attraktivität. Jahrelang waren sie mit ihrer teilweise negativen Verzinsung lediglich ein teurer Parkplatz. Künftig werden sie situativ wieder zur echten Alternative. Das gilt sowohl für langlaufende Staatsanleihen als auch für kürzer laufende Unternehmensanleihen. Hier liegen bei Restlaufzeiten von drei bis vier Jahren die Renditen auf Endfälligkeit bei drei bis vier Prozent. Das zu erwartende Kursrisiko ist damit überschaubar.

Dollar und Schweizer Franken sind klassische Fluchtwährungen

Kurzfristig dürften Schuldverschreibungen in US-Dollar und Schweizer Franken profitieren. Das gilt so lange, wie in den USA das Zinsniveau über dem von Europa liegt. Beiden Währungen kommt ihr Zufluchtscharakter zugute. Beim Dollar dürfte es allerdings zu knirschen beginnen, sobald sich die Erwartungen an die Geldpolitik der Fed sowie an die Konjunkturdynamik ändern. Doch das dürfte noch eine Zeit lang dauern. Entgegen der allgemeinen Markterwartung, wonach eine erste Zinssenkung der Fed im Sommer 2023 eingepreist wird, gehen wir davon aus, dass diese erst frühestens Ende 2023, eher noch in 2024 vorgenommen wird. Nur der schnelle Absturz in eine tiefere Rezession würde diesen Vorgang beschleunigen.

Buy and hold funktioniert nicht mehr.

Jahrelang genügte es, Anleihen zu kaufen und bis zur Endfälligkeit liegenzulassen. Um den Rest sorgten sich immer weiter sinkende Zinsen, was die Rentenkurse nach oben trieb. In den nächsten Jahren wird jedoch ein aktives Management nötig sein, um an den Rentenmärkten Gewinne einfahren zu können. Dann ist eine aktive Steuerung der Duration gefragt.

Zwar ist ein weiteres Sinken der Inflation sowohl in den USA als auch in Europa zu erwarten, die Vor-Corona-Tiefs dürften aber vorerst in weiter Ferne bleiben. Kurzfristig sollten die Renditen sinken, langfristig aber eher steigen. Zu den wesentlichen Gründen dafür zählen die Demografie sowie der erwartete Preisauftrieb bei den Rohstoffen.

Rezessions- löst Inflationsszenario ab

Die Geldentwertung könnte im Laufe 2023 an Bedeutung verlieren. Wenn die Volkswirtschaften in den USA und in Europa in eine Rezession abrutschen, was mit hoher Wahrscheinlichkeit passieren wird, entfällt für die Notenbanken die Notwendigkeit, weiter an der Zinsschraube zu drehen. Denn dann haben sie ihr Ziel, die Nachfrage zu dämpfen, erreicht. Bei der Rezession handelt es sich somit um einen echten Gamechanger.

Die sinkende Nachfrage sorgt für sinkende Preise.

Wenn durch das Schrumpfen der volkswirtschaftlichen Leistung der Bedarf an Rohstoffen und Arbeitskräften sinkt, lässt der Preis- und Lohndruck nach. Die Notenbanken müssen dann aufpassen, die Wirtschaft nicht unnötig tief in die Rezession zu zwingen.

Zinsstrukturkurve spricht für Rezession

Im Gegensatz zu den Aktienmärkten deuten die Rentenmärkte auf eine Rezession hin. Ein deutlicher Beleg hierfür sind die zehnjährigen Zinsen, die sich in den USA unter dem Niveau der dreimonatigen Zinsen bewegen. Bei den Laufzeiten von zehn und zwei Jahren zeigt sich ein analoges Bild.

Normalerweise zeigt eine inverse Zinsstrukturkurve eine Rezession innerhalb der nächsten 6 bis 18 Monate an. In der Vergangenheit handelte es sich um einen zuverlässigen Indikator. Letztlich sagt jedoch die inverse Zinskurve im ersten Moment lediglich aus, dass der Markt die kurzfristige Wirtschaftslage positiver sieht als die langfristige.

Die schon bald bevorstehende Rezession preist der Rentenmarkt erst ein, wenn die Bondhändler die Zwei-Jahres-Renditen deutlich sinken lassen. Dafür ist das aktuelle Zinsniveau noch viel zu hoch.

Aktuell preist der Markt lediglich eine Verlangsamung des amerikanischen Wirtschaftswachstums ein. Bei einer Verlangsamung handelt es sich jedoch nicht um eine Rezession. Wenn die US-Wirtschaft schrumpft, sinken die Fed-Renditen erfahrungsgemäß auf unter zwei Prozent. Das lässt sich derzeit nicht erkennen. In diesem Umfeld dürfte der Markt für Unternehmensanleihen von einer hohen Volatilität geprägt sein.

Kurzlaufende Unternehmensanleihen wieder attraktiv

In einem Markt, in dem Unternehmensanleihen wieder Renditen wie zuletzt im Jahr 2009 abwerfen, sind vor allem kürzere Laufzeiten interessant. Diese Anleihen haben aktuell ein interessantes Chance-Risiko-Verhältnis. Sie rentieren einerseits ähnlich oder sogar höher als längere Laufzeiten und schwanken bei Zinsänderungen weniger.   

Der EUR-Green-Bond-Markt hat sich aufgrund seiner längeren Duration und der vergleichsweise hohen Gewichtung von Unternehmensanleihen 2022 noch schwächer entwickelt als der breite EUR-Anleihenmarkt. Jetzt haben jedoch der starke Zinsanstieg und die hohe Volatilität die Attraktivität des Green-Bond-Marktes wieder erhöht. Und die EZB sorgt für zusätzlichen Rückenwind.

Nachhaltige Anleihen bieten gute Perspektiven.

Denn bei ihren Käufen bevorzugen die Notenbanker generell grüne Anleihen. Seit Oktober errechnen sie einen eigenen Score, der die Nachhaltigkeit eines Emittenten widerspiegeln soll. Emittenten mit hohem Score werden bei künftigen Käufen und Reinvestitionen höher gewichtet.

Die EZB gibt bei nachhaltigen Anleihen noch nicht richtig Gas.

Dieser Score besteht aus den drei Kriterien historische CO₂-Emissionen, Klimaziele des Emittenten in Bezug auf Treibhausgasemissionen und Transparenz bei der Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformationen. Unterm Strich wird sich der neue Nachhaltigkeitsansatz der EZB aber erst durch höhere Kauf- und Reinvestitionsvolumina bemerkbar machen.

Zu früh für Hochzinsanleihen

Noch stellen Unternehmensanleihen mit Bonitäten unterhalb des Investment-Grades keine ernsthafte Alternative dar. Das wird erst dann der Fall sein, wenn höhere Ausfallraten eingepreist werden. Die Zeit könnte noch kommen. Noch ist es aber nicht so weit.

In Krisenzeiten fallen bei Junkbonds bis zu zehn Prozent der Emissionen aus. Es liegt auf der Hand, dass die Ausfälle zunehmen, wenn die Wirtschaft schrumpft. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine Zwangsläufigkeit, aber die Wahrscheinlichkeit von zunehmenden Ausfällen steigt bei einer Rezession. Und dass diese kommt, scheint ausgemacht – wahrscheinlich in Europa ein wenig früher als in den USA.

Emissionsausfall in Krisenzeiten

Solange die Renditen von Hochzinsanleihen niedriger ausfallen als deren mögliche Ausfallquoten, sind sie unattraktiv. Anleger sollten beachten, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit von Junkbonds nicht nur von der konjunkturellen Entwicklung abhängt. Erfahrungsgemäß nehmen die Ausfälle mit einem gewissen zeitlichen Versatz zu, nachdem die Renditen von Staatsanleihen gestiegen sind. Für einen Einstieg scheint es daher noch zu früh zu sein.

KLAR IST

Nach einem Gruseljahr 2022 lässt sich an den Rentenmärkten wieder Geld verdienen. Allerdings funktionieren Buy-and-Hold-Strategien nicht mehr. Gefragt ist ein aktives Risiko- und Durationsmanagement. Unter dem Chance-Risiko-Verhältnis am aussichtsreichsten erscheinen uns derzeit kurzlaufende Unternehmensanleihen.

ERWARTE DAS UNERWARTETE

Die Inflation kommt weniger stark zurück als von den Marktteilnehmern angenommen. Das zwingt die Notenbanken, länger an ihrem restriktiven Kurs festzuhalten als von den Börsianern prognostiziert. Das Zinsniveau bleibt hoch und die Rentenmärkte durchlaufen ein zweites schlechtes Jahr in Folge.

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Anika Albrecht
anika.albrecht@ak-co.de