04 Jan 2023 DIE INFLATION SINKT!
In Kürze
- ➡️ Die Seitwärtsbewegung beim Gold könnte schon bald enden.
- ➡️ Die Entwicklung der Energie- und Industrierohstoffe hängt maßgeblich von der Konjunktur in China ab.
- ➡️ Perspektivisch dürfte das Angebot von Rohstoffen aus Gründen des Umweltschutzes sinken.
- ➡️ Gleichzeitig sorgt die Energiewende bei bestimmten Industrierohstoffen für eine steigende Nachfrage.
Im Jahr 2022 gab es gleich mehrere Entwicklungen, die die meisten Menschen, insbesondere die jüngeren, so bislang nicht kannten und schon gar nicht erwartet hatten. Dazu zählt auf jeden Fall schon einmal eine prozentual zweistellige Inflation. Im Gegenteil: In den zurückliegenden Jahren waren eher deflatorische Tendenzen zu erkennen gewesen, was die Notenbanken zu ihrer zeitweise extrem expansiven Geldpolitik bewogen hatte, die jetzt zumindest teilweise zu dem Schlamassel beigetragen hat.
Nun haben Fed, EZB und Co. eine 180-Grad-Wende hingelegt und versuchen, mit aller Kraft gegenzusteuern. Leitzinserhöhungen von 0,75 Prozent in einem Schritt – wann hat es das zuletzt gegeben? Allerdings laufen die Notenbanken Gefahr, den Bogen zu überspannen. Es ist schon richtig, dass sich ohne eine Rezession die Inflation wohl kaum einfangen lassen wird. Doch ein Schrumpfen der Wirtschaft scheint ohnehin unausweichlich.
Die Notenbanken laufen Gefahr, die Rezession unnötig zu verschlimmern.
Fed-Chef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde müssen aufpassen, dass sie mit ihren nächsten Restriktionsmaßnahmen die jeweiligen Volkswirtschaften nicht noch stärker eindampfen als nötig. In dieser Gemengelage ist großes geldpolitisches Know-how und Fingerspitzengefühl gefragt.
Die Notenbanken stecken in der Zwickmühle
Powell und Lagarde müssen für ihre Arbeit derzeit mit Sicherheit keine Vergnügungssteuer zahlen. Sie bewegen sich in einem Umfeld bestehend aus nach wie vor (zu) hoher Inflation und schwacher Konjunktur beziehungsweise einer beginnenden Rezession. Im Prinzip bedeutet dies: Egal, was sie machen, sie machen das Falsche.
Bei der EZB ist die Zielsetzung klar: Sie ist der Geldwertstabilität verpflichtet – und zwar ausschließlich. Das Mandat der Fed ist dagegen breiter gefasst. Sie hat generell auch die Entwicklung der Wirtschaft beziehungsweise des Arbeitsmarktes im Blick. Allerdings hat Powell mehrmals klargemacht, dass derzeit die Bekämpfung der Inflation nicht nur die höchste, sondern sogar die einzige Priorität genießt.
Klar ist, dass die Teuerungsrate noch immer viel zu hoch ist – sowohl in den USA als auch in Europa. Die Lage ist zusätzlich so herausfordernd, da es sich diesmal nicht um eine „normale“ Inflation handelt. Der Grund ist nicht eine überbordende Nachfrage, weil die Wirtschaft so brummt. Diesmal bilden Angebotsengpässe die wesentliche Ursache. In der Corona-Pandemie sind die Lieferketten aus Asien, und hier insbesondere aus China, schwer beschädigt worden oder sogar zwischenzeitlich gerissen.
Und jetzt kommt noch der unsägliche Angriffskrieg der Russen gegen die Ukraine dazu. Dadurch wurden Energierohstoffe, also vor allem Öl und Gas, knapp, was die Preise zwischenzeitlich durch die Decke gehen ließ. Darauf reagierten verschiedene Staaten mit kreditfinanzierten Hilfsprogrammen für die Unternehmen und die Privathaushalte, was wiederum die restriktive Geldpolitik von Fed und EZB konterkariert.
Den Notenbanken geht es derzeit ausschließlich darum, die Geldentwertung in den Griff zu bekommen.
The new normal
Wir sehen gerade den Kalten Krieg 2.0.
Als wäre die Entwicklung der Weltwirtschaft allein nicht schon besorgniserregend genug, kommen jetzt noch geopolitische Konflikte ungeahnten Ausmaßes hinzu. Hier ist natürlich der Überfall der Russen auf ihr angebliches Brudervolk an erster Stelle zu nennen. Wer hätte sich bis zum 24. Februar vorstellen können, dass die Russen tatsächlich mitten in Europa einen verheerenden Krieg anzetteln?!
Möglicherweise birgt der Konflikt zwischen China und Taiwan sogar noch mehr Sprengstoff. Sollte es auch hier einen Überfall geben, droht die Welt endgültig im Chaos zu versinken. Schon jetzt sind die Drohkulissen Pekings mit dem Kalten Krieg zwischen der damaligen Sowjetunion und den USA zu vergleichen. Dazu kommt, dass Präsident Xi Jinping nicht mehr das Wirtschaftswachstum an erste Stelle stellt. Peking mischt sich immer mehr in die Wirtschaft ein und gibt hier die Richtung vor. Es besteht durchaus die Gefahr, dass China als Motor der Weltwirtschaft zunehmend ausfällt.
Energie ist nicht nur teuer, sondern auch knapp.
Schließlich scheinen die Zeiten der niedrigen Energiepreise erst einmal vorbei. Nicht einmal eine ausreichende Versorgung mit Öl, Gas und Strom ist sicher. In Europa kommt neben dem Wegfall russischen Pipelinegases noch der Ausfall rund der Hälfte der französischen Kernkraftwerke hinzu. Diese müssen gewartet werden oder es fehlen Ersatzteile.
Zwar leiden auch die USA unter gestiegenen Energiepreisen, doch auf einem sehr viel moderateren Niveau. Hier stellt sich auch die Frage der Energiesicherheit nicht, da die Vereinigten Staaten unterm Strich Öl und Gas exportieren. Vor allem der Verkauf von Flüssiggas beschert verschiedenen US-Unternehmen derzeit Rekordgewinne.
Es liegt auf der Hand, dass diese Entwicklungen erstens allesamt negativ und zweitens nicht von kurzer Dauer sind. Sie haben nicht nur 2022 geprägt. Auch in den kommenden Jahren wird sich die Welt mit diesen neuen Realitäten arrangieren müssen, ob es ihr passt oder nicht. Davon unabhängig entwickeln sich die großen Volkswirtschaften vergleichsweise unterschiedlich.
Die Krisen sind gekommen, um zu bleiben.
In den USA geht Joe Sixpack die Puste aus
Auf den ersten Blick ist in den Vereinigten Staaten konjunkturmäßig alles im grünen Bereich. Der für die dortige Wirtschaft so wichtige Konsum zeigt sich robust. Doch der Blick hinter die Kulissen zeigt ein anderes Bild.
Der amerikanische Verbraucher, auch Joe Sixpack genannt, verkonsumiert nach wie vor viel Geld. Allerdings ist er dazu gewissermaßen gezwungen. Durch die Inflation haben sich auch die Waren des täglichen Bedarfs spürbar verteuert. Gleichzeitig ist die Sparquote auf ein rekordtiefes Niveau gefallen. Joe Sixpack pfeift deshalb aus dem letzten Loch. Er muss ausgeben, was er hat, um seine materiellen Grundbedürfnisse zu decken.
Das gilt vor allem für die unteren 90 Prozent der Gesellschaft. Eigentlich können nur noch die einkommensstarken Schichten in den USA Geld zur Seite legen. Dieses Detail spart die Sparquote aus, da sie sich auf die Gesamtbevölkerung bezieht.
Wenn die amerikanischen Verbraucher ihre Ersparnisse aufgebraucht haben, müssen sie auf Pump konsumieren. Und genau das ist der Fall. Seit rund einem Jahr steigen die Kreditkartenschulden wieder an. Doch wenn diese überzogen sind, bleibt nur noch, den Konsum einzuschränken.
In den USA ist ein Konsumschock absehbar.
Angesichts immer noch stark steigender Preise und Lohnsteigerungen, die darunter liegen, müssten sich 90 Prozent der amerikanischen Bevölkerung verschulden, um noch shoppen gehen zu können. Da ist ein Konsumeinbruch eigentlich nur eine Frage der Zeit. Die USA stehen vor einer Rezession. Das einzig Gute ist, dass dies den Druck von der Fed nimmt, 2023 ständig weiter die Zinsen zu erhöhen.
Europa – der kranke Mann der Welt
Keine Region der Welt leidet so stark unter dem Anstieg der Energiepreise wie Europa. Das ist kein Wunder, denn keine Region war bis zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs derart abhängig von russischem Pipelinegas. Das gilt insbesondere für Deutschland, Italien und Österreich.
Da Russland nur einen Teil seiner früheren Öl- und Gaslieferungen nach Asien umleiten kann – hier fehlt die notwendige Pipeline-Infrastruktur – dürften auf dem Weltmarkt Energierohstoffe knapp und damit teuer bleiben.
In Europa entzieht die galoppierende Inflation den Verbrauchern Kaufkraft und führt gleichzeitig bei den Unternehmen zu massiven Kosten- und Ertragsbelastungen. Schlimmer noch: Es droht der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. Zahlreiche Unternehmen haben bereits ihre Produktion gedrosselt oder bestimmte Werke sogar ganz runtergefahren, weil sich dort die Produktion nicht mehr rechnet. Im Winter 2022/23 ist eine Rezession so gut wie sicher.
Eine Rezession ist in Europa kaum abwendbar.
Dazu kommt, dass in Europa nicht nur die Binnenkonjunktur unter Druck steht, sondern auch wichtige Auslandsmärkte schwächeln. Während die USA noch am Anfang einer Rezession stehen, hat China bereits stark an konjunktureller Dynamik verloren. Dort machen vor allem die immer neuen Lockdowns der Wirtschaft zu schaffen.
Gleichzeitig verfügt die EZB kaum über Spielraum, bei ihrer Geldpolitik den Fuß von der Bremse zu nehmen. Sie hat noch später als die Fed angefangen, die Leitzinsen zu erhöhen. Gleichzeitig bewegt sich die Inflation auch noch auf einem höheren Niveau als in den USA. Die EZB wird im Laufe 2023 ihren Leitzins wohl mindestens auf drei Prozent raufsetzen müssen.
Schließlich hat die europäische Wirtschaft mit den Kosten für die Energiewende und für die Deglobalisierung zu kämpfen. So wie früher Deutschland als der kranke Mann Europas galt, ist heute der alte Kontinent der schwächste der großen Wirtschaftsräume auf der Welt.
Chinas Wachstumsmotor stottert
Als konjunktureller Rettungsanker dürfte die Volksrepublik weitgehend ausfallen. Von seinem ursprünglichen Wachstumsziel von 5,5 Prozent im Jahr 2022 kann sich Peking definitiv verabschieden. Vor allem der wochenlange Lockdown in der Wirtschaftsmetropole Shanghai hat die Konjunktur spürbar belastet. Aber auch in anderen Regionen kommt es immer wieder zu einem Runterfahren der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens, sobald ein paar Corona-Infektionen auftreten.
Peking bleibt kaum etwas anderes übrig, denn weite Teile der Bevölkerung sind noch nicht gegen Corona geimpft. Bei den über 60-Jährigen ist es gerade einmal ein Drittel. Außerdem gibt es in China bislang nur das selbst hergestellte Vakzin, was einen sehr viel niedrigeren Schutz bietet als die westlichen mRNA-Impfstoffe. Aber auch sonst nimmt Xi Jinping, der Präsident auf Lebenszeit, keine Rücksicht auf die Wirtschaft. Das gilt insbesondere für die angekündigte Annexion Taiwans.
Lange Zeit haben das kommunistische Festlandchina und die demokratische Inselrepublik wirtschaftlich erfolgreich miteinander kooperiert. Dafür ist Foxconn schon fast so etwas wie ein Synonym. Der taiwanische Auftragsfertiger lässt seit Jahren von Hunderttausenden Festlandchinesen für Apple iPhones und iPads zusammenschrauben. Bei einem Angriff von China auf Taiwan wäre dieses Geschäftsmodell obsolet. Aber wie Wladimir Putin scheint auch Xi die Wirtschaft und das Wohl der Bevölkerung weitgehend egal zu sein.
Unter Xi genießt Wirtschaftswachstum keine Priorität mehr.
Auch das Gesellschaftsmodell Xis geht zu Lasten der wirtschaftlichen Dynamik. Darunter leiden vor allem die großen Tech-Konzerne, die Peking zwischenzeitlich offenbar zu mächtig geworden waren. Gleichzeitig ist die Immobilienkrise weiter ungelöst. Jahrelang hat ein Bauboom, der zum guten Teil an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeiging, die Wirtschaft künstlich angeheizt.
Jetzt leiden die großen Projektentwickler unter Geldknappheit. Immer weniger Chinesen sind bereit, eine in der Volksrepublik übliche Anzahlung auf eine geplante Immobilie zu zahlen, wenn sie sich nicht sicher sein können, dass diese irgendwann auch fertiggestellt wird. Der chinesische Immobiliensektor hat seine besten Zeiten hinter sich. Unterm Strich dürfte das chinesische Wachstumspotenzial in den kommenden Jahren nur noch bei zwei bis drei Prozent liegen. Für die wachstumsverwöhnten Chinesen dürfte sich das wie eine Rezession anfühlen.
Für Fed, EZB und Co. geht es um die Inflation.
Aus Sicht der Notenbanken ist jedoch nicht die konjunkturelle Entwicklung für ihr künftiges Handeln entscheidend, sondern – wie bereits erwähnt – die Inflation. Ähnliches gilt übrigens auch für die Aktienmärkte.
Überraschungspotenzial bei Teuerung in den USA
Lange Zeit haben die amerikanischen Verbraucher und Börsianer geglaubt oder zumindest gehofft, dass die hohe Teuerung nur von kurzer Dauer ist und sich schnell wieder zurückbildet. Auch die Fed war dieser Meinung. Das hat sich als falsch herausgestellt.
Jetzt lautet der Konsens, dass der Peak bei der Inflation in den USA zwar überschritten sei, das Ziel einer Geldentwertung von gerade einmal zwei Prozent aber in weiter Ferne liegt.
Doch genau mit dieser Einschätzung könnten Konsumenten, Anleger und die Fed schiefliegen – und zwar gewaltig. Die Inflationserwartungen an den Anleihemärkten signalisieren nämlich genau das: einen schnellen und starken Rückgang der Inflation. Die Beschaffungskosten, wie z.B. Frachtraten, der Unternehmen zeigen in dieselbe Richtung, sie fallen bereits deutlich.
Die Anleger könnten in den USA auf dem falschen Fuß erwischt werden.
Würde die Inflation in den USA ähnlich schnell verschwinden, wie sie gekommen ist, würde dieses der Fed natürlich enormen Spielraum eröffnen. Die Geldpolitiker müssten nicht mehr über die Höhe der nächsten Leitzinserhöhung diskutieren, sondern darüber, wann und wie stark die Zinsen wieder gesenkt werden, um der Wirtschaft unter die Arme zu greifen. Die Wall Street würde es freuen.
In Europa werden Energiepreise vom Treiber zum Bremser
Der Hauptgrund für die in Europa höchsten Inflationsraten seit rund 40 Jahren liegt auf der Hand: die sprunghaft angestiegenen Energiepreise.
Doch dieser Effekt wird sich schon bald umdrehen. So hat sich der Preis für ein Fass (159 Liter) Rohöl der Sorte Brent von Anfang Januar 2022 bis Anfang Juni von rund 80 auf mehr als 120 Dollar verteuert. Seitdem fällt der Preis und notiert mittlerweile wieder auf dem Niveau vom Jahresanfang.
Selbst wenn der Ölpreis nicht weiter sinkt, sondern sich nur seitwärts entwickelt, sorgt die hohe Vergleichsbasis des Jahres 2022 dafür, dass er inflationsdämpfend wirkt. Allerdings ist beim Ölpreis auch vor zu großen Hoffnungen zu warnen. Wirklich preiswertes Öl dürfte endgültig der Vergangenheit angehören.
Kurzfristig besteht ein Widerstand im Bereich von 70 Dollar je Barrel. Fällt der Preis auf oder unter diese Marke, wollen die USA wieder ihre strategischen Reserven auffüllen. Längerfristig dürfte der Wegfall eines Teils der russischen Produktion und die mangelnden Investitionen der westlichen Ölmultis einen sehr viel tieferen Preis verhindern. Das Angebot sollte auf absehbare Zeit knapp bleiben.
Dennoch dürfte 2023 der Basiseffekt beim Öl und anderen Energierohstoffen der Inflation entgegenwirken. Staatliche Subventionen wie der Gas- und Strompreisdeckel in Deutschland sowie ähnliche Maßnahmen in den anderen europäischen Ländern mindern ebenfalls die Geldentwertung. Allerdings hängt viel vom Verlauf des Winters ab. Je kälter er wird, desto höher fällt die Inflation aus und umgekehrt.
Auch die Gas- und Strompreisbremse wirken inflationsdämpfend.
Angesichts der moderaten Tarifabschlüsse ist in Deutschland zumindest keine Lohn-Preis-Spirale in Sicht. Aufgrund der zum Teil hohen Arbeitslosigkeit ist dies auch in anderen europäischen Ländern kaum zu erwarten. Schließlich sollte auch die anstehende Rezession den Preisauftrieb einschränken. Unterm Strich ist in Europa 2023 zumindest beim Thema Inflation Entwarnung zu erwarten. Möglicherweise steht am Ende des Jahres sogar wieder eine zwei vor dem Komma.
Inflationsgefahr China
Auch die Gas- und Strompreisbremse wirken inflationsdämpfend.
Allerdings könnte die Volksrepublik dem für die USA und Europa erwarteten Szenario einen Strich durch die Rechnung machen. In Peking, Shanghai und anderen Wirtschaftsmetropolen wird der Lockdown aufgehoben: eine Folge ungewöhnlich großer Proteste der Bevölkerung.
Jetzt stellt sich die Frage, ob dies den Anfang einer nachhaltigen Lockerungsstrategie markiert oder ob das Volk einfach etwas beruhigt werden soll. Wenn sich Peking von seiner strikten Null-Covid-Strategie auch langfristig verabschieden sollte, würde dies für die Wirtschaft einen starken Impuls bedeuten.
Das würde zu einem Nachfrageanstieg beispielsweise nach Flüssiggas oder Kupfer bedeuten, was auch in den USA und Europa die Inflation unterstützen würde. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass Peking wirklich eine ähnliche Covid-Strategie wie die westliche Welt verfolgt. Denn dann könnte sich rund ein Viertel der weitgehend ungeimpften Bevölkerung mit dem Virus infizieren. Eine totale Überlastung des Krankenhaussektors wäre absehbar.
Xi hat wahrscheinlich nur die Wahl zwischen dem Import der mRNA-Impfstoffe aus dem Westen und weiter strikten Covid-Maßnahmen. Da die Einfuhr westlicher Vakzine einen ziemlichen Gesichtsverlust bedeuteten würde, ist eher mit erneuten Lockdowns zu rechnen, wenn irgendwo im Reich der Mitte das Virus ausbricht.
Die Geldpolitik bleibt restriktiv
Wenn die Inflation sich tatsächlich schneller als gemeinhin erwartet zurückbildet, könnte das den Notenbanken neue Handlungsspielräume eröffnen – so zumindest die Hoffnung der Börsianer. Das gilt insbesondere für die Fed, die 2022 in ungeahnter Geschwindigkeit ihre Leitzinsen nach oben geschraubt hat.
Doch diese Hoffnungen dürften sich allerdings als verfrüht erweisen. In den 70er Jahren hat die Fed bereits zweimal die Leitzinsen gesenkt, als die Inflation zurückging und die Arbeitslosigkeit stieg. Beide Male ist das Gespenst der Geldentwertung zurückgekehrt, bis der damalige Fed-Chef Paul Volker Ende der 70er / Anfang der 80er Jahre mit der geldpolitischen Brechstange vorging und die US-Wirtschaft in eine schwere Rezession zwang.
Bei der Geldpolitik besteht erhebliches Enttäuschungspotenzial.
Diese Fehler will und wird der aktuelle Fed-Präsident Powell nicht wiederholen. Lieber wird er etwas zu viel als zu wenig bremsen.
EZB-Chefin Lagarde wird sich voraussichtlich ähnlich verhalten (müssen). Denn die Inflation bewegt sich im Euroraum noch auf einem sehr viel höheren Niveau als in den USA. Da sie auch bei den Leitzinsen hinterherhinkt, ist eine Pause bei den restriktiven Maßnahmen kaum zu vermitteln.
KLAR IST
Das wahrscheinliche Szenario – sowohl in den USA als auch in Europa – ist 2023 ein Mix aus Rezession und weiter hohen, beziehungsweise steigenden Leitzinsen. Erschwerend kommt dazu der unsägliche Krieg in der Ukraine und das Säbelrasseln Chinas gegenüber Taiwan. Das Umfeld für die Aktienmärkte hat auch schon einmal besser ausgesehen.
ERWARTE DAS UNERWARTETE
Die Rezession kommt in den USA früher und verläuft schwerer als geahnt. Gleichzeitig sorgen radikale Republikaner zunehmend für Chaos in den Vereinigten Staaten. Dafür stimmt ein stark geschwächtes Russland in der Ukraine zumindest einem Waffenstillstand zu. In diesem Umfeld verliert der Dollar massiv an Boden.