Albrecht, Kitta & Co. Vermögensverwaltung - Quartalsausblick Q4 2023 - Konjunktur & Geopolitik

FISKAL- & GELDPOLITIK

REGIERUNGEN UND NOTENBANKEN ARBEITEN HAND IN HAND

Die Staaten und Notenbanken sind sich einig: Es bedarf noch einer ganzen Reihe an Stimuli, um die Wirtschaft wieder alleine laufen zu lassen. Die schwarze Null ist Geschichte und die Angst vor zu hohen Schulden scheint verflogen. MMT sei Dank - Glück auf!

Nicht nur Deutschland packt die Bazooka aus. Weltweit haben die verschiedenen Länder milliardenschwere Konjunkturprogramme beschlossen, um ihren durch Corona geschädigten Volkswirtschaften auf die Beine zu helfen. Gleichzeitig halten Fed, EZB und Co. an ihrer extrem lockeren Geldpolitik fest.

Die EU-Kommission, die nationalen Regierungen und die EZB agieren alle in dieselbe Richtung: Mit Programmen ungeahnten Ausmaßes versuchen sie, eine länger anhaltende Rezession zu verhindern. Selbst in den USA handeln Washington und die Fed zwar mit unterschiedlichen Maßnahmen, aber im Endeffekt analog, auch wenn Noch-Präsident Trump immer wieder Notenbank-Chef Jerome Powell verbal attackiert. Und auf wundersame Weise scheint Geld im Überfluss vorhanden zu sein. Allerdings trauen wir dem Paradigmenwechsel nicht über den Weg.

EUROPA: DIE DRUCKERPRESSE LÄUFT AUF HOCHTOUREN

Millionen von Menschen haben ihre Arbeitsplätze verloren. Gleichzeitig sind die Gesundheitssysteme verschiedener Eurostaaten immer wieder an ihre Grenzen gestoßen. Die Zustände in zahlreichen Pflege- und Altenheimen sind unzumutbar. Dazu kam noch – vor allem in der ersten Hälfte 2020 – ein Wirtschaftseinbruch, wie ihn unsere Generationen noch nicht erlebt haben. Es gibt jedoch auch positive Entwicklungen, die durch den GAMECHANGER Corona eingeleitet wurden. Während Großbritannien aus der EU austritt, rücken die verbliebenen 27 Staaten nämlich näher zusammen – trotz der Querschüsse von Ländern wie Ungarn oder Polen. Die EU-Kommission hat eine Art Marshallplan beschlossen. Mit einem Volumen von insgesamt 750 Milliarden Euro soll der Aufbauplan Next Generation EU (NGEU) den Mitgliedstaaten unter die Arme greifen. Ziel des umgangssprachlich Green Deal genannten Pakts ist der umweltverträgliche Umbau der europäischen Wirtschaft.

750

Mrd. €

für den Green Deal

750 MILLIARDEN EURO FÜR DIE KONJUNKTUR

Die EU-Staaten können Finanzhilfen in einem Volumen von insgesamt 390 Milliarden Euro beantragen, die sie nicht zurückzahlen müssen. Dazu kommen noch einmal Darlehen in Höhe von 360 Milliarden Euro –  macht zusammen die erwähnten 750 Milliarden Euro.

Diese Mittel können die EU-Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen zwischen 2021 und 2027 abrufen. Das Besondere dabei: Das Geld stammt nicht aus dem regulären EU-Haushalt, den die einzelnen Mitgliedstaaten mit ihren Beiträgen finanzieren. Vielmehr wird ein Schattenhaushalt eingerichtet, für den die EU-Kommission im Namen der Europäischen Union eigenständig Schulden aufnehmen darf. Faktisch handelt es sich also um Corona-Bonds, die Deutschland eigentlich ablehnt. Dadurch, dass die EU erstmals im großen Stil den Anleihemarkt anzapft, steigt sie zu einem der größten Schuldner der Eurozone auf. Für Zinsen und Tilgung müssen die EU-Mitgliedsländer in ihrem Staatshaushalt einen gewissen Betrag reservieren, der sich an der Wirtschaftskraft des Landes orientiert. Es kommt damit zu einem zweiten Tabubruch: Denn spätestens hiermit startet die Transferunion, die Deutschland ursprünglich ebenfalls verhindern wollte. Vereinfacht ausgedrückt zahlt jetzt der deutsche Steuerzahler auch für die Schulden Italiens und Spaniens. Zudem können neue EU-weite Einnahmen wie etwa eine Plastiksteuer, Geld aus dem Emissionshandel oder eine Digitalsteuer herangezogen werden.

390

Mrd. €

Finanzhilfen

IST DIESMAL WIRKLICH ALLES ANDERS?

In Europa und den USA kaufen die Notenbanken umfangreich Staatsanleihen. Da stellt sich die Frage, ob das der Einstieg in die Modern Monetary Theory (MMT) ist, die ja derzeit heiß diskutiert wird. Sie besagt im Groben, dass einem Staat mit eigener Währung nie das Geld ausgeht. Zumindest ist das eine Kernthese der Modern Monetary Theory, die in den USA ihren Ursprung hat. Demnach können Staaten quasi unbegrenzt über ihre Einflussnahme auf die Notenbanken die Geldmenge erhöhen. Oder anders ausgedrückt: Die Staaten machen unbegrenzt per Ausgabe von Anleihen Schulden, die Fed, EZB und Co. dann übernehmen. Ein Perpetuum mobile. Damit unterscheidet sich der Staat von Unternehmen oder Bürgern, denn er muss seine Schulden nicht herkömmlich zurückzahlen. Vielmehr kann er mit neu geschaffenem Geld die Zinsen und Tilgungen bestreiten. Mit anderen Worten: Der Staat gibt Geld heraus und bestreitet damit seine Ausgaben. Steuern werden im Rahmen von MMT nicht als Finanzierungsinstrument des Staates betrachtet. Vielmehr dienen sie dazu, die Inflation zu begrenzen, indem ein Teil des Geldes wieder eingesammelt wird.

KAUM HANDLUNGSSPIELRAUM FÜR ZENTRALBANKEN

Eine wesentliche Voraussetzung für den Bestand dieses Systems ist das Vertrauen der Bürger in das Währungssystem und die Politik. Denn die Realität sieht sehr ernüchternd aus. Der herkömmlichen Geldpolitik sind im Nullzinsumfeld und bei globalen Schuldenexzessen die Hände gebunden. Steigende Zinsen sind Gift für die Realwirtschaft und verschlechtern die Kreditratings von Staaten und Unternehmen. Fiskalpolitik kann nur eingesetzt werden, indem man die Geldmenge erhöht. Genauer betrachtet ist es ein Teufelskreis: Wenn man die Zinsen nicht erhöhen kann, um Fiskalpakete mit Anleihen am Kapitalmarkt zu refinanzieren, bleibt als Fluchtweg nur eine Erhöhung der Geldmenge. In diesem Umfeld steht Geld theoretisch unbegrenzt zur Verfügung. Die Krux ist, dass die Menschen angesichts einer solchen Entwicklung den bunt bedruckten Papier- oder Baumwollscheinen, also dem Geld, zunehmend das Vertrauen entziehen. Selbst die Aktien-aversen Deutschen haben begonnen, zunehmend ihre Barmittelbestände gegen Aktien zu tauschen. Auch diesmal ist eben nicht alles anders.

USA: WEITERE LIQUIDITÄTSWELLE WAHRSCHEINLICH

Auch die neue Regierung in Washington wird versuchen, das Land weiter mit Geld zu fluten – indirekt finanziert durch die Fed. Schon unter Trump ist die Neuverschuldung der USA nach oben geschossen. Allerdings wird die Fiskalpolitik Bidens voraussichtlich durch das Patt im Kongress nicht so expansiv ausfallen können, wie es bei einer blauen (sprich: demokratischen) Welle möglich gewesen wäre. Biden weiß, dass er vor allem für Beschäftigung sorgen muss. Noch ist nämlich der Arbeitsmarkt nicht über den Berg. Hier findet zwar eine kontinuierliche Erholung statt, jedoch könnte die Schaffung neuer Stellen ohne schnelles Konjunkturprogramm ins Stocken geraten.

KONSUM UND IMMOBILIENMARKT SIND LABIL

Neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wird es in den Vereinigten Staaten von Bedeutung sein, wie der neu gewählte US-Präsident die potenziellen Belastungsfaktoren in den Griff bekommt. Hierzu zählen unter anderem die sozialen Unruhen aufgrund immer neuer rassistischer Vorfälle und der erwähnt prekären Lage am Arbeitsmarkt. Dies könnte sich negativ auf den Konsum und den bisher robusten Immobilienmarkt auswirken. Daran kommt auch Biden nicht vorbei.

Interessant wird sein, welche Prioritäten die neue Regierung in Washington darüber hinaus setzen wird. Innenpolitisch wird ein Schwerpunkt bei den Themen Umweltschutz und Kampf gegen den Klimawandel liegen. Biden hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, wieder dem Pariser Klimaabkommen beitreten zu wollen.

Außerdem dürfte er den Ausbau des Gesundheitswesens und den sozialen Ausgleich fokussieren. Außenpolitisch wird es sehr spannend werden, wie sich die USA mit China und Europa auseinandersetzen.

ZINSERHÖHUNGEN NICHT IN SICHT

Und was macht die Fed? Notenbankpräsident Jerome Powell warnte bereits: „Vor der Wirtschaft liegt ein sehr unsicherer Weg“. Angesichts der tiefen Rezession in den USA wollen die Notenbanker vorerst die Zinsen nahe null Prozent halten. Sie gaben außerdem in ihrem Zinsausblick mehrheitlich zu erkennen, dass sie auch in den beiden kommenden Jahren keine Erhöhungen ins Auge fassen. Die Zinsen blieben so lange niedrig, bis die Wirtschaft wieder in der Spur sei, ließen die Notenbanker mitteilen. „Wir denken noch nicht einmal daran, über eine Zinserhöhung nachzudenken“, so Powell.

In China wird ebenfalls die Fiskal- und Geldpolitik in einem hohen Ausmaß die wirtschaftliche Entwicklung beeinflussen. Dabei steht die Wachstumsstrategie 2035 im Vordergrund. Ziel ist es, das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen zu verdreifachen. Anders als man es im Allgemeinen annehmen könnte, liegt dieses nämlich noch per 2019 knapp unter dem Durchschnitt auf Basis des weltweiten Bruttoinlandsprodukts pro Kopf. Hier soll also die Mittelschicht deutlich ausgeweitet und damit zum endgültigen GAMECHANGER im Kräfteverhältnis zu den USA werden.

50

Mio.

US-Bürger mit Lebensmittelkarten

INFLATION: DAS ENDE DER FAHNENSTANGE

Die Notenbanken haben sich zu einem dominierenden Akteur an den Rentenmärkten entwickelt. Dieser Prozess läuft bereits seit Jahren. Abzulesen ist dies an ihren Bilanzen.

Bilanzsumme FED

Quelle: MarketMap, eigene Darstellung

Angesichts der weltweit weiterhin lockeren Geldpolitik stellt sich natürlich die Frage, wie sich die Geldflut auf die Preise auswirkt. Unsere Einschätzung lautet: Mittel- bis langfristig betrachtet haben wir bereits die Renditetiefs gesehen. Damit wird auch die Inflation wieder steigen. Das im Frühjahr 2020 entstandene Renditetief sehen wir damit als GAMECHANGER für den Rentenmarkt!

Der wesentliche Grund ist, dass die Phase der Zinssenkungen in Europa sehr wahrscheinlich beendet ist. In den vergangenen Krisen hat die EZB die Zinssätze stark herabgesetzt. Doch während der Corona-Krise ist nichts passiert, da es nichts mehr zu senken gibt. Auch die USA sind am unteren Ende der Zinsspanne angekommen. Bei der Fed sind negative Zinssätze wohl eher auszuschließen.

GELDENTWERTUNG DÜRFTE STEIGEN

Gleichzeitig hat der Rentenmarkt das lange Ende im Crash nur noch um 50 Basispunkte nach unten gedrückt. In vorherigen Krisen waren es bis zu 200 Punkte. Die Renditen sind also angesichts der Mega-Rezession zu wenig gesunken. Für eine aufkommende Inflation sprechen außerdem der weltweite Vormarsch der Fiskalpolitik, die Abschwächung der Globalisierung und der demographische Wandel, durch den es weniger Erwerbstätige geben wird, die Produkte herstellen oder Dienstleistungen erbringen.

Leitzinsen in den Industrieländern

Quelle: MarketMap, eigene Darstellung

KLAR IST

Die Staaten und Notenbanken sind sich einig: Es bedarf noch einer ganzen Reihe an Stimuli, um die Wirtschaft wieder alleine laufen zu lassen. Die schwarze Null ist Geschichte und die Angst vor zu hohen Schulden scheint verflogen. MMT sei Dank – Glück auf!

ERWARTE DAS UNERWARTETE

Mit ihren milliardenschweren Konjunkturpaketen und der Liquiditätsflut schießen weltweit die Regierungen und Notenbanken übers Ziel hinaus. Die Konjunktur kocht aufgrund der massiven Nachholeffekte über. Die Inflation steigt massiv über die angepeilte Zwei-Prozent-Marke. Von der Fed bis zur People’s Bank of China müssen die Notenbanken auf die Bremse treten und die Zinsen anheben. Dass so etwas Gift für die Kapitalmärkte ist, ist bekannt.