Diese Chancen bietet die Agrarwende

Diese Chancen bietet die Agrarwende

Veröffentlicht als Gastkommentar (16. September 2020) bei Nachhaltigkeit Das Investment Logo


Oliver Zastrow arbeitet als Direktor beim unabhängigen Vermögensverwalter Albrecht, Kitta & Co. in Hamburg.

Gesunde und umweltfreundliche Ernährung steht immer mehr im Zentrum des öffentlichen Interesses. Oliver Zastrow von der Vermögensverwaltung Albrecht, Kitta & Co. erklärt, welche Investmentchancen der Trend bietet.

Tesla und Beyond Meat sind zwei anschauliche Beispiele dafür, wie Newcomer etablierte Branchen aufmischen können. Der lange Zeit belächelte E-Auto-Pionier aus Kalifornien kommt derzeit auf eine Markkapitalisierung von rund 290 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Bei VW, Daimler und BMW summiert sich der Börsenwert zusammen auf gerade einmal 170 Milliarden Euro.
Im Ernährungsbereich sieht es ganz ähnlich aus. Die Börse bewertet Beyond Meat, den amerikanischen Hersteller vegetarischer Hamburger-Buletten, mit 7,2 Milliarden Euro. Das Unternehmen treibt die etablierten Lebensmittelkonzerne regelrecht vor sich her. Ähnliche Produkte wie die von Beyond Meat gibt es mittlerweile in fast jedem Supermarkt – selbst bei den Discountern wie Aldi und Lidl.
Natürlich ist der Run auf pflanzliches Fleisch oder Wurstprodukte nicht nur Unternehmen wie Beyond Meat geschuldet. In Deutschland verzichten bereits 6,5 Millionen Menschen ganz oder zumindest weitgehend auf den Verzehr von Rind, Huhn oder Schwein. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die einen Verbraucher halten das dafür notwendige Schlachten von Tieren für unethisch. Die anderen Konsumenten meinen, eine vegetarische oder vegane Ernährung sei gesünder. Schließlich verderben Seuchen wie zuletzt die Schweinepest den Appetit auf Schnitzel und Co.
So oder so: Ohne eine weltweite Agrarwende wird es nicht gehen. Derzeit leben circa 7,8 Milliarden Menschen auf der Erde. Und schon heute stößt die Landwirtschaft an ihre Grenzen. Rund ein Drittel aller Flächen der Erde wird für die Fleischproduktion genutzt – entweder direkt zur Tierhaltung oder für die Produktion von Futter. 90 Prozent des weltweit produzierten Sojas geht für Futtermittel drauf. Wälder werden abgefackelt, um noch weitere Anbauflächen zu schaffen. Gleichzeitig ist die Fleischproduktion für Viertel der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Im Jahr 2050 soll die weltweite Bevölkerung nach der Projektion der Vereinten Nationen auf 9,7 Milliarden Menschen angestiegen sein. Um diese ausreichend zu ernähren, ist eine Agrarwende unumgänglich.

Völlig neue Produktionsmethoden

Die Herstellung neuer Lebensmittel ist weitaus weniger trivial als es auf den ersten Blick scheint. Lange Zeit fielen pflanzliche Fleischersatzprodukte wie Sojawürstchen bei Geschmacktests durch. Doch mittlerweile gibt es eine Vielzahl an pflanzlichen Buletten, Hackfleisch oder Wurst, die tierischen Produkten auf Augenhöhe begegnen. Beispiele wie Beyond Meat oder auch Rügenwalder Mühle zeigen jedoch, dass es viel Entwicklungszeit und Know-how bedarf, um neue und leckere Lebensmittel zu entwickeln. Und es benötigt jede Menge Geld für Forschung und Entwicklung.
Die großen Lebensmittelkonzerne sind längst auf den Trend aufgesprungen. Nestlé macht mit seiner Marke Gourmet Garden mit vegetarischen Angeboten Beyond Meat Konkurrenz und hat sich von seiner Wurstmarke Hertha getrennt. Davor hatte bereits Unilever die Salami-Marke Bifi abgestoßen.
Pflanzliche Proteine sind aber wahrscheinlich erst der erste Schritt der Agrarwende. Weltweit arbeiten Start-ups an In-vitro-Fleisch, also Kunstfleisch, das im „Glas“, also im Labor wächst. Denn es ist klar, dass trotz einer wachsenden Zahl von Vegetariern und Veganern es weiterhin eine große Zahl von Menschen geben wird, die „richtiges“ Fleisch essen möchten. Die Unternehmensberatung A.T. Kearney sagt in einer Studie zu dem Thema voraus, dass schon 2040 mehr als ein Drittel des gezüchteten Fleischs aus der Petrischale stammen wird.
Ein niederländisches Forscherteam um Mark Post hat den ersten In-vitro-Burger bereits 2013 der Öffentlichkeit präsentiert. Er war das Ergebnis einer jahrelangen Forschungsarbeit und kostete unglaubliche 250.000 Euro. Finanziert hat das Projekt Sergey Brin, der zusammen mit Larry Page Google gegründet hat. Zweieinhalb Jahre später stellte das amerikanische Start-up Memphis Meats ein Fleischbällchen aus Rinderstammzellen vor.
Zu den Pionieren bei In-vitro-Fleisch gehört auch Aleph Farms aus Israel. Deren Forschern ist es gelungen, aus einzelnen Kuhzellen Muskelgewebe wachsen zu lassen. Das künstlich erzeugte Fleisch soll sich geschmacklich von einem herkömmlichen Steak kaum unterscheiden.
Wie bei den pflanzlichen Fleischersatz-Produkten erkannten auch bei In-vitro-Fleisch etablierte Konzerne einen Zukunftstrend und sind in das Thema eingestiegen. 2018 beteiligten sich die Merck KGaA und die Bell Food Group an der niederländischen Firma Mosa Meat. Rund ein Jahr später kaufte sich die M-Industrie, eine Tochter der Schweizer Migros-Gruppe, bei Aleph Farms ein. Auch Cargill stieg bei dem israelischen Start-up ein, nachdem die Amerikaner bereits zuvor in Memphis Meats investiert hatten.

Kostenparität in Sicht

Noch ist die Produktion von Kunstfleisch für den Massenmarkt zu teuer. Doch sinkende Preise sind nur eine Frage des technischen Fortschritts. Die Blaupause dafür liefern Elektroautos. Seit Jahren werden deren Akkus, auf die 30 bis 40 Prozent des Gesamtpreises entfällt, immer billiger. Schon in wenigen Jahren werden Stromer nicht nur im laufenden Betrieb, sondern auch in der Anschaffung preislich attraktiver als herkömmliche Verbrenner sein. In der Fleischproduktion zeichnet sich eine ähnliche Entwicklung ab.
Der renommierte Zukunftsforscher Lars Thomsen erwartet, dass Fleisch aus dem Labor im Jahr 2028 nur noch 30 Euro pro Kilo kosten wird. Dann wäre es bereits mit den Konkurrenz-Produkten vom Biofleischer preislich konkurrenzfähig.
Die Energie- und Mobilitätswende zeigen, dass nicht nur alte Geschäftsmodelle unter Druck geraten oder sogar nach und nach ganz von der Bildfläche verschwinden. Sie stellen gleichzeitig unter Beweis, dass neue junge Unternehmen entstehen und rasch Marktanteile gewinnen. Anleger bietet das die Chance, mit entsprechenden Investments gutes Geld zu verdienen. Wenn die ersten In-vitro-Start-ups an die Börse gehen, könnte sich ein Hype wie bei Tesla oder Beyond Meat durchaus wiederholen.
 

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